Reportage

Blockchain – Die neue Technologie in der Berufslehre

13.10.2021
von Rebecca Pozzoli
Alessandro Barletta am Arbeitsplatz

Digitalisierung und wirtschaftlicher Wandel bringen eine Anpassung der Berufslehrinhalte mit sich. So geschehen auch in der Informatik- und Mediamatiklehre, die neu mit einer Vertiefung in Blockchain absolviert werden können. Alessandro Barletta hat als aller erster Lernender den Lehrvertrag «Informatiker EFZ mit Fachrichtung Applikationsentwicklung» und Schwerpunkt Blockchaintechnologie unterschrieben. Die Lehre absolviert er beim innovativen Zuger IT-Unternehmen Inacta und hat Mitte August 2021 mit der Basisausbildung mit Fokus Blockchain beim Zuger Bildungsunternehmen TIE International begonnen. Was ihn dazu bewogen hat, ganz neue Wege zu gehen, erzählt er gateway.one in einem exklusiven Interview.

Besonders Finanzinstitute stehen unter enormem Druck, ihre regulatorische Compliance nachzuweisen, deshalb setzen viele Banken auf Blockchain-Implementierungen. Sichere und dezentrale Lösungen in der Blockchain können ein entscheidender Baustein sein, um Compliance-Kosten zu reduzieren. Doch nicht nur Banken setzen im sogenannten Schweizer Crypto Valley rund um Zug auf die neue Blockchain-Technologie. Diese kann grundsätzlich überall dort angewendet werden, wo mehrere Transaktionen vonstattengehen und Rückverfolgbarkeit und Sichtbarkeit erforderlich sind, z.B. bei Lieferketten, bei Plattformen zur Stimmrechtsausübung oder zur Wertschriftenverwaltung.

Blockchain als Ausrichtung in der Berufslehre

Bei der Blockchain handelt es sich um eine innovative, neue Technologie, die schnell in der Schweizer Wirtschaft verbreitet. Was läge da näher, als nicht erst ausgewiesene Fachkräfte damit vertraut zu machen, sondern bereits in der Beruflichen Grundbildung Lernende darin einzuweisen? Diese haben dann ein Arbeitsleben lang Zeit, sich zu ausgewiesenen Expertinnen und Experten zu entwickeln. Deshalb bieten seit diesem Sommer verschiedene Firmen, darunter das Zuger IT-Unternehmen Inacta, eine Informatiklehre mit Fachrichtung Applikationsentwicklung und Schwerpunkt Blockchain an. Die Basisbildung und die überbetrieblichen Kurse (ÜK) finden dabei beim Zuger Bildungsunternehmen TIE International statt, welches die Vertiefung selbst entwickelt und realisiert hat. Der Bildungsplan des Berufes Informatiker/in EFZ sieht zwar optional auch Blockchain-Module vor, doch in diesem Fall ist ein grosser Teil der Ausbildung darauf ausgerichtet.

Das will ich machen!

Vor der Berufslehre hat sich Alessandro Barletta nur wenig mit der Blockchain-Technologie befasst. Aber es war ihm schon immer klar, dass er gerne Informatiker werden würde. Auf der Suche nach einer Lehrstelle, ist er auf das Unternehmen TIE International gestossen: «Ich habe auf ihrer Website alles über die Firma gelesen und wusste sofort, dass das ein interessanter Arbeitsort wäre. Während einer Schnupperlehre bei TIE International erfuhr er weitere Details über die geplante Lehre mit Fokus auf Blockchain und wurde sich immer sicherer: «Das will ich machen! Ich hatte noch nie Lust auf eine herkömmliche Bank-Lehre und gleichwohl interessieren mich Geldflüsse, Währungen und Bitcoins».

"Das Verständnis der Blockchain wird mir helfen, andere Sachen besser zu verstehen."

Mit Blockchain in die berufliche Zukunft

Barlettas Umfeld hat überrascht reagiert, als er ihm von der Ausrichtung seiner Lehre erzählt hat. Seine Eltern waren zunächst etwas besorgt, weil sie sich gefragt haben, ob man den Blockchain-Technologien, die ja noch in den Kinderschuhen stecken, soweit trauen kann, dass man seine berufliche Zukunft darauf fokussiert. Doch anfängliche Zweifel waren schnell aus dem Weg geräumt. Auch die Kollegen fanden den Fokus auf Blockchain interessant. Barletta ist auf jeden Fall sehr überzeugt von der neuen Technologie: «Das Verständnis der Blockchain wird mir helfen, andere Sachen besser zu verstehen. Und sollte es mit den Bitcoins nicht klappen, dann werde ich die Technologie eben auf andere Mining Facilities anwenden». Aber dafür braucht es erst eine solide Ausbildung. Barletta will sich zunächst auf seine Lehre in Zug, im Herzen des Crypto Valley, konzentrieren. Vorsorglich absolviert er nebenher die Berufsmaturitätsschule im Gewerblich-industriellen Bildungszentrum Zug und liebäugelt mit einem anschliessenden Fachhochschulstudium, um seine Kompetenzen noch zusätzlich zu vertiefen.

Blockchain-Lehren braucht das Land – wer macht mit?!

Barbara Surber, Mitgründerin von TIE International, ist äusserst zufrieden, seit August 2021 den ersten Blockchain-Lehrgang mit vier Informatik- und zwei Mediamatik-Lernenden durchführen zu können. Alle seien sehr motiviert und wissbegierig, es mache Spass, sie zu begleiten. Gleichwohl wünscht sich Surber, dass das Angebot bekannter wird und künftig noch mehr Firmen aus dem Crypto Valley davon profitieren können: «Es gibt mittlerweile in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein über 960 Unternehmen, die sich mit Blockchain beschäftigen und zusammen mehr als 5000 Mitarbeitende haben. Unser Ziel ist es, diese davon zu überzeugen, ebenfalls Berufslehren mit diesem Fokus anzubieten.»

Was ist Blockchain?

«Blockchain» ist in aller Munde, doch wie genau die neue Technologie funktioniert, wissen nur die Wenigsten.

Im traditionellen Bankenwesen nimmt eine vertrauenswürdige Bank die Rolle eines sogenannten Intermediärs ein. Will man z.B. nach Amerika Geld schicken, wird dies über die Bank abgewickelt, dauert dann jedoch ein paar Tage und kostet einen mehr oder weniger grossen Geldbetrag, die sogenannte Kommission. Ausgeklügelte Informatiker und Informatikerinnen haben sich gedacht, dass es cool wäre, eine Technologie zu entwickeln, bei der die Überweisung ebenso sicher ist, jedoch viel schneller geschieht und ohne Intermediär vonstattengeht. Blockchain ist diese neue Open-Source-Technologie.

Die ursprüngliche Blockchain ermöglicht es, mit der Kryptowährung Bitcoin ganz ohne Intermediär sichere, schnelle und nachweisliche Überweisungen zu machen. Den Namen hat die Technologie von den einzelnen Transaktionen («Blöcken», resp. «block»), die nacheinander vonstattengehen, in Form einer Kette, auf Englisch «chain». Die Blockchain-Technologie eröffnet auch viele Anwendungsmöglichkeiten ausserhalb der Finanzindustrie – beispielsweise als fälschungssicherer Träger von digitalisierten Vertragswerken und Zertifikaten in Bereichen wie Kunst, Mode, Versicherungen und Immobilien.

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